Symposium - Leben im Überfluss

Date: 2014-04-06

Gestern habe ich über die reichlich deprimierenden Veranstaltung "10 Jahre Elitenetzwerk Bayern" geschrieben. Heute will ich über eine Veranstaltung reden, die nur dem Inhalt nach deprimierend war, aber ansonsten eine gute Erfahrung. Es geht um ein Symposium zum Thema "Leben im Überfluss" das in Regensburg stattgefunden hat. Nachhaltigkeit war das Thema das dort um die 40 Leute versammelt hat. Es wurde 4 Tage lang über Strukturen und Mechanismen des Konsums geredet und verschiedene Lösungsansätze diskutiert. Ich werde die Veranstaltung nicht dem Ablauf, aber dem Inhalt nach zusammenfassen, es wird also eher ein "Meine Sicht der Dinge" mit besonderer Berücksichtigung des Symposiums sein.

Die Grundlage aller Betrachtungen zum Thema Nachhaltigkeit ist die Erkenntnis der Endlichkeit aller Ressourcen auf unserem Planeten. Dabei geht es nicht nur um den Klimawandel und den CO2-Ausstoß, den wir verursachen. Es geht auch nicht nur um den Verbrauch von Öl. Wir stoßen mit unserem Verbrauch an sehr viele Grenzen. Wir verbrauchen zu viel Öl (das nicht wirklich nach wächst), zu viel Wasser, zu viel Land, versäuern die Meere zu sehr, vernichten die Artenvielfalt, emitieren zu viele Schadstoffe, etc.. Wir müssen uns vor Augen halten, dass sogar die, von der Sonne eingestrahlte, Energiemenge begrenzt ist. Um ein bisschen zu verdeutlichen wie groß unser Einfluss ist, ist dieser XKCD zu empfehlen, der zeigt wie viel Biomasse unsere Nutztiere im Vergleich zum Rest aller wild lebenden Tiere ausmachen.

Wir haben keine wirkliche unberührte Natur vor uns. Alles ist berührt vom Menschen. Die Natur auf dem Land, die gerne romantisiert wird, ist Kulturland. Geschaffen vom Menschen für sein eigenes Überleben und seine Bequemlichkeit. Es gibt keine unberührte Natur mehr. Nur noch uns und wie wir mit der Menschenspähre (Anthroposphäre) interagieren.

Wenn man sich jetzt die Zahlen anschaut, wie viele Erden man bräuchte um alle Menschen auf einem Gewissen Niveau Leben zu lassen, kommt man zu relativ unangenehmen Zahlen: Leben alle wie in der EU brauchen wir 2.6 Erden; Leben alle wie in den USA brauchen wir 4 Erden. Diese Zahlen berechnen sich aus dem ökologischen Fussabdruck. Die Zahl des ökologischen Fussabdruckes ist selbst umstritten, aber wenn wir konservativ annehmen, dass die Zahlen um 50% zu pessimistisch sind, sieht es ziemlich schlecht aus. Aber es ist natürlich politisch nicht gewollt, dass alle Menschen so Leben wie in den USA oder der EU. Die Grenzpolitik der EU manifestiert eine Festung Europa. Wir schließen uns in Europa ein und hoffen das 938 Millionen Afrikaner nicht auf blöde Ideen kommen bzw. Frontex sie ausreichend in Angst versetzt. Es geht also um die Verteilung unserer Ressourcen auf dem Planeten. Alle Kriege des 21. Jahrhunderts werden Verteilungskriege um begrenzte Ressourcen sein.

Es gibt viele Eckpunkte in dieser Geschichte an der man merkt, dass diese Welt ein ernsthafteres Problem hat, als wir uns das eingestehen wollen. Ich habe meinen Workshopleiter, der im Wissenschaftsbeirat der Bundesregierung war, am Symposium gefragt, ob er eine, nur eine, Studie kennt bei der es für uns nicht düster aussieht. Er sagte nein. Also die Ausgangslage ist nicht gerade rosig.

Jetzt gibt es verschiedene Stoßrichtungen, wie man unsere Gesellschaft(en) Nachhaltiger gestalten kann. Die am leichtesten zu akzeptierende, weil bequem, ist die technokratische Lösung: Wir schrauben die Effizienz unserer Prozesse so weit in die Höhe und machen uns so unabhängig von fossilen Ressourcen, dass wir innerhalb der Grenzen unseres Wachstums bleiben. Wir entkoppeln das Wachstum von begrenzten Ressourcen, eine decarbonisierung der Wirtschat. Das ist sicherlich ein Standbein nachhaltiger Entwicklung, aber ich glaube nicht, dass es ausreichend ist. Zum einen sind wir sehr weit weg von unseren Wachstumsgrenzen und zum anderen löst es nicht die Verteilungs- und Entwicklungsprobleme. Können wir wirklich alle Menschen mit einem I-Phone ausstatten, das es ihnen erlaubt die eigenen globalen Energieströme zu jonglieren. Die Frage die man sich bei jeder Maßnahme stellen muss ist doch: Wie skaliere ich das auf 7 Milliarden (oder später 9 Milliarden) Menschen? Und ich denke, dass bei Elektroautos und Flugzeugen die Antwort sein wird: Ich kann es nicht skalieren.

Die andere Stoßrichtung ist die der Suffizienz. Sie geht von der psychologischen Beobachtung aus, dass wir ab einer gewissen Maß an materiellem Wohlstand nicht mehr zufriedener werden. Das heißt, das jeder Konsum über dieser Grenze, wo auch immer die genau liegen mag, vielleicht kurzfristig das Glück steigert, aber nicht das allgemeine Wohlbefinden einer Person. Die Konsumausgaben über dieser Grenze sind demnach nicht wirklich effektiv, wenn man Konsum als Mittel zur Steigerung des Wohlbefindens sieht. Die Idee der Suffizienz ist eigentlich eine sehr marktwirtschaftliche, weil sie sagt, dass man diese uneffektiven Ausgaben reduzieren muss. Suffizienz ist also die Frage nach den Dingen, die man wirklich braucht. Hauptredner dieser Idee und der Idee der Postwachstumsökonomie in Deutschland ist Niko Paech, bei dem es sich wirklich lohnt zuzuhören (25 Min; mp3).

Um sich den Wahnsinn unseres Wirtschaftssystems vor Augen zu führen, möchte ich nur kurz folgendes zu bedenken geben. Wenn wir jedes Jahr eine konstante Wachstumsrate haben, haben wir im Endeffekt exponentielles Wachstum (man denke an Zineszins). Und das in einer Welt mit begrenzten Ressourcen. Guter Plan!

Eins der wohl leicht verständlichsten Themen, wo diese Suffizienz anwendbar, aber unbequem, ist, ist der Fleischkonsum. Es ist Wahnsinn Nahrungsmittel, die wir schon selbst verstoffwechseln könnten, zuerst noch durch ein Nutztier zu schieben (mit einer Effizienz von ca. 10 %) um dann das Ergebnis zu essen. Es ist eine andere Geschichte Nutztiere Flächen bewirtschaften zu lassen, die nicht für Ackerbau geeignet sind. Aber dieser Fall macht nicht den Hauptteil der Fleischproduktion aus. Nun könnte man in der westlichen Welt auf einen großen Teil seines Fleischkonsumes verzichten, aber man will halt nicht, weil es ist unbequem, weil es eine Aufgabe von Privilegien ist. Es wird einen Punkt in der Geschichte geben, an der hungernde Menschen einsehen, dass Rinder und Schweine ihre Fressfeinde sind. Nachdem ich den Ausführungen der Tierethik nicht folge, kann man daraus nur folgern, dass ich lieber Menschen ernähre als Tiere.

Im Symposium wurden viele Themen angesprochen, aber ich habe mich in meinem Workshop hauptsächlich mit den ganz großen Strukturen auseinander gesetzt. Deswegen möchte ich zum Abschluss noch unser Ergebnis in dieser Hinsicht darlegen. Wir haben die größten Strukturen mit ihrer Motivation, ihren Potentialen und Hemmnissen erarbeitet.

Eigentlich sollte die Wirtschaft vom Individuum und der Politik in "die Ecke gedrückt werden, bis sie quietscht" (Hat schon bei Franz von Papen und Hitler nicht funktioniert). Sie sollte die Bedürfnisse befriedigen, die in der Gesellschaft da sind, und keine neuen schaffen. Die Realität sieht aber so aus, dass die Wirtschaft die Politik mit Arbeitsplätzen erpresst und Staaten gegeneinander ausspielt (outsourcing). Und auf der anderen Seite die Bedürfnisse des Individuums mit Werbung steuert. Allein die Idee von Werbung, die in einer Welt mit begrenzten Ressourcen neue Bedürfnisse schafft, ist pervers.

Mein erstes persönliches Fazit aus dem Symposium ist es nur noch einmal die Woche Fleisch zu mir zu nehmen. Und ansonsten auch darauf zu achten, was die materiellen Güter sind, die ich wirklich brauche und auch brauchen will. Denn auf die Frage "Brauche ich das?" wird der eigene Geist immer eine gute Antwort finden, die das Bedürfnis rationalisiert. Die Frage "Will ich das? Will ich das wollen?" ist eine viel selbstbestimmtere und autonomere.